Freiheit statt Angst.

piraten 12. september

Foto dpa/aus: Tagesspiegel online

aus: Welt.online

Tausende bei Protest gegen Überwachungswahn

12. September 2009, 16:34 Uhr .In Berlin haben mehrere Tausend Menschen gegen eine ausufernde Überwachung durch Staat und Unternehmen demonstriert. Die Proteste standen unter dem Motto „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn". Sie richten sich unter anderem gegen die Pflicht der Telefonunternehmen, Daten auf Vorrat zu speichern.

Die Demonstration war Teil eines internationalen Aktionstages, an dem weltweit Proteste stattfinden sollten. Zeitgleich wurde auch in zahlreichen anderen Städten der Welt wie Wien, Prag, Stockholm und Buenos Aires zu Aktionen unter dem Motto „Freedom not Fear“ aufgerufen.

Zu dem Protestmarsch gegen Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und E-Mail-Daten und heimliche Online-Durchsuchungen von Computern durch den Staat hatten über 160 Bürgerrechts- und Datenschutz- organisationen aufgerufen. Unterstützt wurde der Aufruf unter anderem von der Piratenpartei, Gewerkschaften, Berufsverbänden sowie der Organisation Attac und dem Chaos Computer Club. Die Veranstalter rechnen bis zum Abend mit bis zu 15.000 Teilnehmern.*

Für Millionen Bürger könne dieses Thema bei der Bundestagswahl entscheidend sein, sagte ein Sprecher der Veranstalter. Viele Politiker hätten noch nicht begriffen, dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei

Der Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, warnte bei der Kundgebung vor „politischer Angstmacherei“ und „Angriff auf die Bürgerrechte“.

Schnueffeln-in-persoenlichen-Daten

„Ein ausufernder Antiterrorkampf beschert uns eine dramatische Einschränkung der Freiheitsrechte“, sagte Gössner weiter. Derzeit erlebe Deutschland eine „Militarisierung der Inneren Sicherheit“, so der Menschenrechtler mit Blick auf die Diskussion über Bundeswehreinsätze im Inland und die von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) favorisierte zunehmende Vernetzung von Polizei und Geheimdiensten.

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, warnte vor einer „Totalkontrolle“ der Bevölkerung, um Kriminellen wie „Kinderpornografen“ und Terroristen im Internet auf die Spur zu kommen. Anstatt Informations- und Meinungsfreiheit einzuschränken, müsse die Strafverfolgung professioneller werden. Auch der geplante unbegrenzte Datenaustausch zwischen Polizeidienststellen innerhalb der EU und die einheitliche Steuer-Identifikationsnummer wurden kritisiert.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Petra Pau, bezeichnete in einer kurzen Rede die sogenannte Vorratsdaten- speicherung als „unsinnig“ und warnte vor einem präventiven Sicherheitsstaat. „Die Anschläge auf das Grundgesetz kommen näher“, betonte sie und fügte hinzu: „Wir brauchen endlich ein Datenschutzrecht des 21. Jahrhunderts“.

der sogenannten Vorratsdatenspeicherung werden alle Daten von Telefon- und Internetverbindungen erfasst. Die Telekommunikationsunternehmen müssen diese Daten für ein halbes Jahr speichern. Dabei geht es um Rufnummer, Uhrzeit, Datum der Verbindung, bei Handys auch den Standort zu Beginn des Gesprächs. Nicht gespeichert wird der Inhalt der Kommunikation, auch nicht die aufgerufenen Seiten im Internet. Auf die erhobenen Daten dürfen Ermittler bei der Verfolgung schwerer Straftaten zugreifen. Das vom Bundestag 2007 verabschiedete Gesetz setzte eine EU-Richtlinie um. Deutschland blieb am unteren Rand des möglichen Überwachungszeitraums. Die EU wollte die Daten ursprünglich für 36 Monate speichern.

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*)Tagesschau, 20.00 Uhr: "Die Veranstalter sprachen von 25.000 Teilnehmern, die Polizei von etwa 10.000."

piraten überwachung

Piraten segeln auf Kurs der 68er und Grünen
von Romanus Otte, Stellv. Chefredakteur WELT AM SONNTAG

Das Internet hat unser aller Leben verändert. Es bietet uns ungeahnte Möglichkeiten, birgt aber auch genauso viele Gefahren. Doch es wird noch lange dauern, bis wir die Dimensionen des neuen Mediums vollends überschaut haben werden.

In epochalen Umbrüchen können die Zeitgenossen das Ausmaß der Veränderung selbst meistens kaum erkennen geschweige denn verstehen. Eine solche Ära erleben wir zurzeit – nicht mit der Finanzkrise, deren Veränderungsmacht eher überschätzt wird. Ich meine das Internet, dessen Wucht noch lange nicht verstanden ist. Es ist – vergleichbar der Dampfmaschine, der Elektrizität oder dem Auto – eine Innovation, die das gesamte Leben durchdringt und umwälzt.

Was die digitale Revolution mit den Menschen machen wird, ist allenfalls in Ansätzen erkennbar. Das Internet gibt es erst seit 15 Jahren. 15 Jahre nach dem Bau der ersten Dampfmaschine hätte niemand die industrielle Revolution abgesehen. Heute wird die erste Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, gerade erst erwachsen.

Ein Streit tobt um die Rechte und Pflichten des Internets

ein Kampf tobt

Das Internet ist eine Freiheitsmaschine. Es öffnet den Menschen Möglichkeiten, weil es Barrieren für die Teilhabe in allen Lebensbereichen senkt. Im Internet tut sich auch ein neuer sozialer Raum auf, der noch kaum reglementiert ist. Und um diesen Freiraum entbrennt derzeit ein Kulturkampf. Die Extreme lassen sich so beschreiben: Eine Seite verlangt, alle Gesetze, die offline gelten, auch online durchzusetzen, etwa das Urheberrecht oder die Gesetze gegen Hasspredigten, Gewaltaufrufe, Kinderpornografie.

Die andere Seite stellt die Gültigkeit alter Regeln im Internet radikal infrage, auch des klassischen Urheberrechts. Jeden Versuch, Inhalte im Netz einzudämmen, belegt sie mit dem Vorwurf der Zensur. So erging es Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihrem Stopp-Gesetz gegen Kinderpornografie.

Es geht um mehr. Die etablierte Gesellschaft steht der Internetszene ähnlich ahnungs- und verständnislos gegenüber wie seinerzeit den 68ern oder Grünen. Und ähnlich wie damals Studenten und Umweltaktivisten fühlt sich nun die Internetszene als gesellschaftliche Avantgarde – mit einem ähnlichen Hang zur Selbstüberschätzung.

Beide Seiten werden sich bewegen. Es werden sich alle Werte und Regeln nicht einfach ins Internet übertragen lassen, weil das Internet auch sie ändern wird. Aber natürlich ist auch im Internet die Freiheit nicht grenzenlos. Dass sich die libertäre Internetavantgarde derzeit unter der Flagge der Piratenpartei sammelt, ist ein Hinweis darauf, dass da manche Freiheit mit Freibeutertum verwechseln.

 entern!

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