Noch einmal: Wikileaks.

aus Neue Zürcher Zeitung, 7. 12. 2010

Seltsame Händel um Wikileaks

ras. · Wie selbstlos sind die Aktionen von Wikileaks und deren Partner? Blicken wir zurück: Radio Basel erregte letzte Woche über die Schweiz hinaus Aufmerksamkeit. Dies, weil dessen Chef, Christian Heeb, pfiffig war und als Erster an die Wikileaks-Informationen des «Spiegels» herankam, welche das Magazin erst einen halben Tag später unters Volk bringen wollte. Heeb handelte legal und hatte also das Recht, darüber zu berichten. Er sendete erste Informationen, brach aber ab, weil der «Spiegel» einen Handel anbot: US-Dokumente über die Schweiz gegen Einhaltung einer Sperrfrist.

Hier ging es um eine geschäftliche Absicherung im Kampf um exklusive Informationen. Kein Geld floss, aber «heisse» Informationen wurden getauscht. Wer solche besitzt, kann ja daraus ein Geschäft machen. Für den «Spiegel» zahlen sie sich offenbar aus. Die erste Wikileaks-Ausgabe verkaufte sich sehr gut, und am Freitag kommt zudem ein Spezialheft über die «enthüllte Supermacht» auf den Markt.

Sperrfristen sind im Kommunikationssektor eine oft gebrauchte Massnahme, um Journalisten gleich zu behandeln und ihnen eine von Konkurrenzdruck geschützte Vorbereitungszeit zu ermöglichen. In diesem Fall profitierten aber nur ein paar wenige Medien. Laut der «Washington Post» verlangte Wikileaks von den Partnern das Recht, bei Verletzung der Sperrfrist eine «Busse» von 100 000 Dollar zu kassieren.

Interessant scheint dabei, dass die «New York Times» («NYT») diesmal nicht von Wikileaks privilegiert wurde, sondern über den «Guardian» Erstinformationen erhielt. War die «NYT» in Ungnade gefallen, weil sie ein kritisches Porträt über den Wikileaks-Chef Julian Assange verbreitet hatte? So mutmasste der «NYT»-Chefredaktor. Die «Washington Post» wiederum kontaktierte den «Guardian» zwecks einer Kooperation, was dieser ablehnte.

Man sieht: Im Fall Wikileaks spielen die profanen Mechanismen des Medienbetriebs. Jeder will Geld verdienen, und Dokumente teilt man mit Konkurrenten gemäss eigenen Interessen. Missliebigen wiederum droht eine Abstrafung durch Ausschluss vom Informationsfluss. Als Inhaber der heissen Ware verfügt Julian Assange über grosse Macht gegenüber seinen Partnern. Warum und wann er welche Dokumente an wen verteilt – all das bleibt für die Öffentlichkeit jedoch im Dunkeln. Solches Gebaren ist kein Musterbeispiel für Transparenz. Wikileaks steht vielmehr im Widerspruch mit sich selbst.

Überdies förderten die Enthüllungen bisher nichts Wichtiges zutage, das nicht schon bekannt gewesen wäre. Wozu also der Aufwand? Das tropfenweise Streuen von diplomatischen Dokumenten gleicht einem Informationskrieg, der ein öffentliches Klima der Angst und Verunsicherung schaffen soll. Das sind die Methoden des Terrors.

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